Agi­le Lea­der­ship: Fir­men schei­tern am eige­nen Ego

Veröffentlicht am 18.08.2016
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Eta­blier­te Unter­neh­men wol­len alles rich­tig machen. Dazu hören sie ganz genau auf ihre Kun­den, haben den Wett­be­werb im Blick und inves­tie­ren viel Geld in neue Tech­no­lo­gien, um mit dem per­fek­ten Pro­dukt auf­war­ten zu kön­nen. Den­noch schei­tern sie und ver­lie­ren. Exper­ten bezeich­nen das als Inno­va­tors Dilem­maDas Inno­va­tors Dilem­ma fin­det sich über­all: Jüngst erla­gen ihm Volks­wa­gen, Daim­ler & CoAlle Auto­mo­bil­kon­zer­ne scho­ben das The­ma Elek­tro­mo­bi­li­tät auf die lan­ge Bank und sehen nun dabei zu, wie aus­ge­rech­net die Deut­sche Post den E‑Transporter Markt umkrem­peltEine Bla­ma­ge! Ein mög­li­cher Aus­weg: Agi­le Lea­der­ship.

Inno­va­tors Dilem­ma: Deut­sche Post ent­wi­ckelt nun Autos

Dis­rup­tiv nennt sich das, wenn eine Inno­va­ti­on eine bestehen­de Tech­no­lo­gie, ein bestehen­des Pro­dukt oder Dienst­leis­tung ver­drängt. Bei­spie­le für disrup­ti­ve Inno­va­tio­nen gibt es inzwi­schen zuhauf: Apple etwa, die eigent­li­che Com­pu­ter­schmie­de, die mit dem iPod und dem Strea­ming Dienst Apple­Mu­sic die Musik­bran­che umkrem­pel­te, mit der sie vor­her nichts zu tun hat­te und spä­ter mit dem iPho­ne auch gleich noch den Han­dy­sek­tor umbau­te

Nun wol­len die Ent­schei­dungs­trä­ger unter dem Dach des Unter­neh­mens mit dem ange­bis­se­nen Apfel in Rich­tung Health­ca­re gehen: Vital­da­ten las­sen sich bereits mit der Smart­watch und Smart­phone tra­cken. Im nächs­ten Schritt sol­len sie dem behan­deln­den Arzt zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Na ja, oder so ähnlich. 

Agi­le Lea­der­ship: Lea­der wer­den von Ent­wick­lun­gen überrollt

Meist ent­ste­hen dis­rup­ti­ve Ent­wick­lun­gen in einem Bereich des Mark­tes, den der Wett­be­werb nicht im Auge hat. Die neu­en Märk­te ent­ste­hen für die eta­blier­ten Anbie­ter in der Regel uner­war­tet und sind für die­se, beson­ders auf­grund ihres zunächst klei­nen Volu­mens oder Kun­den­seg­men­tes und oft gerin­ge­re Qua­li­tät ohne Mar­ken­sta­tus und Bil­lig Image uninteressant. 

Mit zuneh­men­dem Wachs­tum und zuneh­men­der Mar­ken­qua­li­tät haben sie das Poten­zi­al, vor­han­de­ne Märk­te, Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen kom­plett oder teil­wei­se verdrängen.

Schnapp­at­mung bei VW

So dürf­ten auch die nicht-agi­len Lea­der bei VW und Daim­ler Schnapp­at­mung bekom­men haben, als sie von den Ent­wick­lun­gen der Deut­schen Post hör­te, die im Bereich E‑Mobilität für Trans­por­ter nach dem Mot­to vor­ging: Wenn mir die gro­ßen mei­ne Wün­sche nicht erfül­len kön­nen, ent­wi­cke­le ich mir mein Wunsch­pro­dukt eben selbst

Neben zwei Elek­tro­bikes und einem mit Bat­te­rie­strom betrie­be­nen Dreirad hat der Kon­zern inzwi­schen zwei gro­ße Lie­fer­wagen im kon­zern­ty­pi­schen Quiet­sche-Ent­chen-Gelb selbst ent­wi­ckeltOn the road sind die Urban Vehi­kel noch nicht. Doch das ist nur eine Fra­ge der Zeit. Auf der Test­stre­cke leis­ten sie bereits gute Dienste. 

Als Automobil­her­stel­ler sah sich der Briefever­tei­ler bis vor kur­zem noch nicht und schon ganz und gar nicht als Revo­luz­zer der E‑Mobility Bran­che. Das Auto­pro­jekt war kei­ne Aus­ge­burt des agi­le Lea­der­ships, son­dern wur­de in Wahr­heit eher aus der Not und dem damit ver­bun­de­nen Frust geboren. 

Ursprüng­lich wollte Post-Vor­stand Jür­gen Ger­des ledig­lich die Auto­flot­te des Post-Kon­zerns moder­ni­sie­renSei­ne Über­le­gung: Die Lie­ferung von Brie­fen, Paketen und Päckchen in die Bal­lungs­zen­tren nimmt in den nächs­ten Jah­ren zu. Die Innen­städ­te wer­den dadurch mit noch mehr Lärm und Abgasen belastet. Was lag näher als die Idee, groß­flä­chig auf CO2-neu­tra­le und lärm­ar­me Elek­tro­au­tos zu set­zen? Rich­tig: Nichts. 

„Na, dann mach ich es eben selbst!“

Doch ein ent­spre­chen­der Vor­stoß von Ger­des bei gro­ßen Auto­kon­zer­nen fiel nicht auf frucht­ba­ren Boden. Wäh­rend Daim­ler einen „Ent­wick­lungs­zu­schuss“ in zwei­stel­li­ger Mil­lio­nen­hö­he vor­schweb­te, wink­te man bei Volks­wa­gen in Wolfs­burg von vorn­her­ein ab. Die Zeit wer­de das Pro­blem schon rich­ten, lies man Ger­des aus­rich­ten. In zehn Jah­ren sei die Tech­no­lo­gie dann so weit. Für jeder­mann. Extra-Bröt­chen wer­den offen­bar selbst für die Deut­sche Post nicht gebacken…

Damit war es gesche­hen: VW und Daim­ler waren voll ins Inno­va­tors Dilem­ma getappt. Sie hat­ten das Poten­zi­al der Idee, die Ger­des ihnen offe­rier­te nicht erkannt. Er hat­te ihnen den per­fek­ten Inno­va­ti­ons­an­satz auf dem Sil­ber­ta­blett gelie­fert, doch die Kon­zer­ne schlu­gen ihm die­ses mit Wucht aus der Hand, dem alten Trott fol­gend, dass man sich dem Lauf der Din­ge hin­gibt und kei­ne Idee vor ihrer Zeit ent­wi­ckelt, bevor die­se nicht per­fekt aus­ge­reift ist und vor allem die Ertrags­aus­sich­ten im Ver­gleich zu den in Mas­sen­pro­duk­ti­on her­ge­stell­ten Ver­bren­nungs­mo­to­ren zu gering schien. Agi­le Lea­der­ship geht anders.

Per­fek­tio­nis­mus ist der ers­te Sargnagel

Die­ser Per­fek­tio­nis­mus in allen Ehren. Aber das funk­tio­niert heu­te nicht mehr. Über­all wer­fen Fir­men eher unfer­ti­ge Pro­duk­te auf den Markt, die in der Sum­me aber bes­ser funk­tio­nie­ren als das Vor­gän­ger­mo­dell und behe­ben die Mängel nach Ein­ho­len von Kun­den­feed­back bei nächs­ten Modell, das mit neu­en, unfer­ti­gen Fea­tures gar­niert wird. Dann geht die Ent­wick­lungs-Spi­ra­le von vorn los. Agi­le Lea­der­ship wie aus dem Lehrbuch.

Wer sich heu­te etwa ein Smart­phone der ers­ten Gene­ra­ti­on anschaut, wird über das dürf­ti­ge Funk­ti­ons­an­ge­bot schmun­zeln. Doch als es auf den Markt kam, war es eine Revo­lu­ti­on. Hät­te Ste­ve Jobs sei­ner­zeit mit dem Launch des iPho­nes gewar­tet, bis es so per­fekt funk­tio­niert wie heu­te, ein ande­res Unter­neh­men wäre in die­ser Spar­te an ihm vor­bei­ge­zo­gen. Apple wäre im Jahr 2016 ein Unter­neh­men, an das sich kei­ner mehr erin­nern wür­de. Statt­des­sen beherrscht es heu­te Märkte. 

Agi­le Lea­der­ship: Aus­pro­bie­ren statt perfektionieren

Die Kunst, ein erfolg­rei­ches Unter­neh­men zu füh­ren, liegt dar­in, die Gunst der Stun­de zu erken­nen und zu reagie­ren. VW und Daim­ler taten genau das: Nicht. Also sah sich Ger­des nach einem Unter­neh­men um, das sei­ne Idee schnel­ler und kos­ten­güns­ti­ger ent­wi­ckelt. Er wurde fün­dig. Bei einem Start­up, das an der Rhei­nisch-West­fä­li­schen Tech­ni­schen Hoch­schu­le (RWTH) in Aachen Elek­tro­fahr­zeu­ge ent­wi­ckel­te und nach den Grund­sät­zen der „Agi­le Leadership“-Methode geführt wird.

Schon 2012 prä­sen­tier­te es einen Pro­to­ty­pen mit dem Namen „Work“. Mit einer Reich­wei­te von 80 bis dem­nächst 120 Kilo­me­tern, einer Spit­zen­ge­schwin­dig­keit von 80 Stun­den­ki­lo­me­tern und einer mög­li­chen Zula­dung von 650 Kilo­gramm erfüll­te das Auto alle Kri­te­ri­en, die Ger­des vor­ge­ge­ben hat­te. Die Post kauf­te das Start­up auf und nun pro­du­ziert es aus­schließ­lich gel­be Autos. Zunächst jeden­falls. Irgend­wann will die Deut­sche Post ihre Autos auch an Drit­te verkaufen.

Post ver­kauft bald Autos

Das dürf­te VW und Daim­ler gar nicht schme­cken. Aber sie hat­ten ihre Chan­ce. Mög­lich, dass den Auto­bau­ern die Kon­kur­renz in gelb erst­mal nicht all­zu viel zu schaf­fen macht, doch eines steht fest: Eines Tages könn­te es dazu kommen.

Aber was kön­nen Kon­zer­ne tun, um nicht dem Inno­va­tors Dilem­ma zu erlie­gen? Der Schlüs­sel dazu lautet Agi­li­tät, das ist die Fähig­keit einer Orga­ni­sa­ti­on in VUKA Zei­ten, fle­xi­bel, aktiv, anpas­sungs­fä­hig und mit Initia­ti­ve auf Unsi­cher­hei­ten und Markt­ver­än­de­run­gen zu reagie­ren. Unter­neh­men, die die Grund­sät­ze des „Agi­le Lea­der­ship“ imple­men­tie­ren und zu ihrem Vor­teil nut­zen kön­nen, wer­den lang­fris­tig erfolg­rei­cher sein. 

Dabei müs­sen tra­di­tier­te Unter­neh­men nicht unbe­dingt sel­ber inno­va­tiv sein. Oftmals ste­hen einer agi­len Arbeits­wei­se hier ver­krus­te­te Struk­tu­ren, star­re Hier­ar­chien und eine lang­wie­ri­ge Büro­kra­tie ent­ge­gen. Daher ver­set­zen die Gro­ßen immer öfter klei­ne­re Drit­te in die Lage, in ihrem Namen erfolg­reich inno­va­tiv zu sein. 

Denn Start­ups haben dank agi­le Lea­der­ship in der Regel, was ent­schei­den­de Vor­tei­le, wel­che die Gro­ßen nicht haben: 

  1. agi­le Teams
  2. agi­le Zusammenarbeit 
  3. ein agi­les Geschäftsmodell
  4. AGI­LI­TÄT als Kernstrategie

Was agi­le Lea­der­ship kon­kret heißt?

  • Crea­ti­vi­ty rulesZufäl­lig, unbe­darft, unbe­ab­sich­tigt ent­steht in den Krea­tiv­schmie­den aus der Kom­bi­na­ti­on von Bestehen­dem und inno­va­ti­ven Gedan­ken etwas Neu­es, das mög­li­cher­wei­se total sinn­voll ist. Der Moment der Ideen­fin­dung ist dabei frei von Kon­ven­tio­nen,Wert­vor­stel­lun­gen, Denk­mus­tern. Der Seren­di­pi­ty Effekt.
  • Crea­ti­vi­ty gets real: Um aus der anfäng­li­chen Idee etwas Rea­les wer­den zu las­sen, braucht der Krea­ti­ve Werk­zeu­ge zum gegen­sei­ti­gen Aus­tausch und zur Doku­men­ta­ti­on und zum Bau eines ers­ten Modells. Die­se Werk­zeu­ge müs­sen schnell ver­stan­den wer­den, sie müs­sen ein­fach zu bedie­nen sein und sie müs­sen funk­tio­nie­ren. Vie­le Unter­neh­men las­sen ihre Mit­ar­bei­ter mit Lego und Kne­te experimentieren
  • Crea­ti­vi­ty Tools: Der krea­ti­ve Moment ist der, in dem Bestehen­des auf neue Wei­se neu kom­bi­niert wird. Daher muss der Krea­ti­ve Zugang zu die­sem Bestehen­den haben. In der Soft­ware­ent­wick­lung gibt es APIs. APIs stel­len den Zugang zu Infor­ma­tio­nen dar, die abge­ru­fen und ver­ar­bei­tet wer­den kön­nen. In die­sem Modell ste­hen APIs für risi­ko- und kos­ten­lo­sen Zugang zu Bestehen­dem – ohne Lizenz­kos­ten, Mar­ken­ver­let­zun­gen, Patentstreitigkeiten.
  • Crea­ti­vi­ty leads to opport­ni­ty: Über APIs und Tools kann die Krea­ti­vi­tät aus­ge­lebt wer­den. Oppor­tu­ni­ty ist die Aus­sicht auf Erfolg. Unter­neh­men stel­len Krea­ti­ven die Wert­schöp­fung für Erfolg zur Ver­fü­gung. Oppor­tu­ni­ty umfasst: Ver­trieb, Ver­mark­tung, Dis­tri­bu­ti­on, Ser­vice, Abrechnung.

Noch Fra­gen? Falsch! Nicht Fra­gen. Machen! Agi­le Leadership.

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