Exklusiv Interview mit einem langjährigen weiblichen Vorstandsmitglied eines erfolgreich transformierten mittelständischen Produktionsunternehmens als Aktiengesellschaft zum Thema Führung
WEIBLICHE FÜHRUNG UND MACHT ALS SOZIALE TRANSFORMATIONSQUALITÄT
WIR LADEN WO MEN LEADER EIN ZUR VERANSTALTUNG DER CONTAS CULTURE ACADEMY: Frauen, Macht und Führung – was macht das mit uns? am 14.5.2018 in Leipzig
Einzelheiten unter https://www.contas-kg.de/culture-academy/
Interview:
Was fällt Ihnen als in der DDR sozialisiertes Führungstalent ein, wenn Sie an Ihre ersten Führungsaufgaben als Vorstandsmitglied mit gerade damals 37 Jahren denken?
Mein Vater hat mich in meinem Selbstbewusstsein stetig gestärkt. Das habe ich für mein Selbstwertgefühl als großen Gewinn erleben dürfen.
Auch mein Ehemann hat mir bei meiner Karriere und als Mehrverdienerin in keiner Weise das Gefühl vermittelt, eine emotional männliche Abwertung zu spüren und dadurch die Partnerschaft mit einem Spannungsverhältnis zu belasten. Wir haben diese Karriere besprochen und gemeinsam getragen, hatten auch immer ein gemeinsames Konto. Mein Mann ist erfolgreich seinen beruflichen Aufgaben nachgegangen, obwohl er im Vergleich zu anderen Familienvätern durch meine doch zeitaufwändige Tätigkeit mehr Belastung durch Aufgaben für die Familie zu tragen hatte.
Kulturmuster als Realitätsmodelle finden als Prägung in der Kindheit statt
Entscheidend war auch die in der Erziehung angelegte Gleichberechtigung der Geschlechter in der Arbeits- und Sozialwelt der ehemaligen DDR. Es gab nicht die Unterscheidung von Frauen- und Männerberufen, sondern Frauen in Männerberufen waren bewusst gewollt. Gesellschaftlich hatte auch das damalige Scheidungsrecht die wirtschaftlichen Folgen für Mann und Frau so neutralisiert, dass mit der Erwerbstätigkeit der Frau deren Versorgungsleistungen erworben wurden. Damals waren über 90 % der Frauen im arbeitsfähigen Alter berufstätig. Vorteile für Frauen aus Versorgungsleistungen gab es nicht.
Ich habe vor der Deutschen Wiedervereinigung keinerlei männliche Bevormundung in Erinnerung.
Wie haben Sie Ihre jeweiligen Vorstandsvorsitzenden erlebt mit Ihnen als Doppelbesetzung im Vorstandsgremium?
Zunächst habe ich im Alter von 37 Jahren einen 2‑Jahres-Vertrag für diese Funktion bekommen und danach regelmäßig 5 Jahresverträge und so über die Zeit mehrere männlichen Kollegen als Vorsitzende überlebt.
Als ich zum ersten Mal nach 1990 in dieser Machtposition war, fühlte ich mich als Mensch 2. Klasse. Das hing neben der Wahrnehmung fehlenden Basiswissens in der neuen Gesellschaftsordnung mit der Kleidung zusammen, die einen wesentlich höheren Stellenwert bekam als in der DDR. Die Anpassung erfolgte über die Zeit schrittweise, da wir zunächst die Herstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Firma zu bewältigen hatten und privat uns voll umfänglich auf das neue Gesellschaftssystem umstellen mussten und privat die Lebensqualität umfänglich verbesserten, da der materielle Mangel beendet war.
AUTOKRATISCHE FÜHRUNG MÄNNLICHER KULTURKANDSCHAFT
An folgende negative Einzelerlebnisse nach 1990 erinnere ich mich:
Ich wurde von einem männlichen Experten in Anwesenheit von Gremienmitgliedern unter Druck gesetzt durch die Art der fachlichen Fragestellung, die einem autoritärem Verhör glich, mit der eindeutigen Absicht der Entwertung als Person in meiner Funktion und der Absicht der mittelbaren Bezweiflung der Geeignetheit.
Ich habe es gleichfalls erlebt, dass mir durch eine männliche Person die Hand zum Abschied verweigert wurde, weil ich eine für diese Person unakzeptable Position vertreten habe im Rahmen von zu klärenden gemeinsamen Geschäften.
Als ich einmal von einem CEO angebrüllt wurde wegen angeblicher Zuständigkeitsüberschreitung, habe ich den AR eingeschaltet. Dieser hat die Sache geklärt, ohne mich nochmals direkt damit zu konfrontieren. Durch Änderung der Besetzung der Funktion des CEO wurde auf der Zeitschiene die Situation entschärft.
In Besprechungen erlebte ich auch die Aussage „Jetzt haben wir ein Frau hier, jetzt müssen wir uns zusammenreißen.“ Diese doppeldeutige Anspielung zeigt männliche Unsicherheit im Umgang mit Frauen in Führungspositionen.
Deutlich auf Augenhöhe habe ich mich einmalig auf der anderen Seite nur mit einem CEO gefühlt, mit dem fachkompetent gegenseitiger Austausch zu inhaltlichen und strategischen Themen gepflegt wurde. Er stellte ehrlich und ernsthaft Fragen nach meiner Einschätzung und Meinung.
In Rückblick habe ich nie ein Führungsseminar besucht, ausgenommen ein Kommunikationsseminar, in welchem es um Sprache und Gestik bei öffentlichem Auftritt ging.
Wie haben Sie konkret Ihre Vorstandstätigkeit und die damit verbundene Führungsrolle ausgeübt?
Das zentrale Führungsinstrument war neben der schriftlichen Information die monatliche Vorstandssitzung mit dem erweiterten Führungskreis, die ich die letzten Jahre meist selbst leitete. Dabei war mir wichtig, bisher erreichten Erfolge herauszuarbeiten und die Leistungsträger hervorzuheben, also mit Lob und Motivation zu arbeiten, Kritik offen anzusprechen und die Probleme der mittleren Leitungsebene auch zu erfragen und zuzuhören.
WANDEL ZU EINER DIALOG UND FEEDBACK UNTERNEHMENSKULTUR
Ich habe den Kulturwandel in der Führungsqualität von ehemals kaum Duldung von Widerspruch hin zu einer offeneren Dialogkultur aktiv begleitet, um die verschiedenen Perspektiven für bessere und transparentere Entscheidungsfindungsprozesse zu nutzen. Weiterhin war ich mir immer meiner Vorbildfunktion bewusst, die Disziplin erfordert und Wahrhaftigkeit, da ich einen fairen und sachlichen Umgang für mich selbst erwarte und diesen auch gegenüber Dritten erfüllen wollte.
Wie sind sie mit den Machtattributen umgegangen?
Ich habe mich in meiner Rolle als Vorstandsmitglied nicht vordergründig als Frau in Machtposition verstanden. Mir war aber bewusst, dass ich mit meiner Kleidung und meinem Auftreten der Funktion zu entsprechen hatte. Bei Aufsichtsratssitzungen waren weiße Bluse und dunkler Hosenanzug bzw. Kostüm üblicher Businesslook. Im Rahmen von lockereren Vorbesprechungen habe ich mich sehr bewusst weiblicher gekleidet; d.h. ich habe dies durch farbige Kleider zum Ausdruck gebracht. Als Accessoire war mir ein grüner Schal bei Empfängen besonders lieb. Auch Schmuck unterstreicht in guter Qualität die weibliche Führungsrolle. Er war für mich so bedeutungsvoll wie jeweils passende Tücher. Ich glaube schon, dass Kleidung und deren Qualität einen Status vermittelt, vorausgesetzt sie sitzt gut und wurde figurgerecht ausgewählt, dies gilt besonders für Frauen.
Ich fahre gern und schnell Auto, wollte aber keine extra große Limousine, eher ein sportliches weniger auffälliges Modell, der Funktion in der Firma jedoch angemessen.
Mein Vorstandszimmer hatte keine spezifisch weiblichen Attribute, lediglich ein modernes Gemälde an der Wand und der Duft meines Parfüms lies eine Frau im Raum erahnen.
Besonders wichtig war mir ein fester Schritt, mit bestimmter Gangart bei angemessener Absatzhöhe des Schuhwerks. Dies demonstriert Selbstbewusstsein.
STIMME ALS AUTORITÄT UND RESONANZRAUM VON PRÄSENZ
Ich legte auch großen Wert auf eine ruhige, besonnene aber deutliche Aussprache. Aus meiner Sicht ist die Stimme mit der Sprachstruktur ganz entscheidend. Auch die Länge des Gesprächs und dessen Inhalt im Zusammenspiel mit der Mimik können keine Anweisungen per email ersetzen. Auch entdeckte ich die Gestik als wirkungsmächtig.
WEIBLICHE FÜHRUNG ALS ORGANISIERT WIRKUNSMÄCHTIGE DEUTUNGSHOHEIT
Viel Arbeit habe ich in den Aufbau von Netzwerken investiert, um die Deutungshoheit in einem größeren Wirkungsumfeld (Organisationen, Verbände) zu erlangen. Kraftdemonstration sehe ich nicht als weibliches Führungsattribut. Ich sehe weibliche Macht als kollektives Moment. Mit Geschick ist es Aufgabe der Führungspersönlichkeit, das im Team erarbeitete Ergebnis als Ergebnis des Teams zusammenfassend zu strukturieren und das Ergebnis wiederum zur Motivation für die nächsten Aufgaben der Umsetzung zu nutzen.
Der männliche Egozentrismus, als Held zu scheinen, ist aus meiner Sicht nicht erfolgstypisch für eine weibliche Führungskraft und überhaupt nicht für mich.
MACHT ALS HALTUNG UND PRÄSENZ ZUR ERWEITERUNG SOZIALER TERRITORIEN UND DESSEN VORBILDFUNKTION WEIBLICHER FÜHRUNG
Als viel wichtiger empfand ich Wahrhaftigkeit und Eindeutigkeit bei einer stimmigen Tonlage als Charisma und Machtinsignium in dieser Funktion.
Wichtig empfand ich auch die weibliche Präsenz direkt vor Ort in der Werkshalle. Wie gehe ich da durch, mit wem spreche ich, wie offen bin ich mit meinen Kontrollaufgaben in der Begegnung gegenüber den Facharbeitern und Auszubildenden. Wie stelle ich mich hier den Fragen, wie zeige ich meine Kompetenz in solchen Präsenz- situationen? Welches Frauenbild vermittle ich? Ich bin bewusst ab und zu in die Produktionsbereiche gegangen, um dadurch auch zu zeigen, dass ich als Frau in der Führungsrolle Verständnis für die Belange der Belegschaft habe.
Wie würden Sie abschließend den Erfolg Ihrer weiblichen Führungsrolle und Machtbeziehung beschreiben?
Ich denke, dass weibliche Führung und Macht immer dann nach innen und außen funktionieren, wenn die Inhalte einer Idee von deren Beteiligten insgesamt getragen werden und die Bedeutungsqualität etwas bewirkt. Es geht um die Präsentation unter Einbeziehung und damit Motivation aller Beteiligten, strategische Weitsicht vorausgesetzt. Damit wirkt das Ergebnis zurück auf den notwendigen stetigen Verbesserungsprozess im Inneren der Firma.
WEIBLICHE FÜHRUNG ALS ATTRIBUT SOZIALER TRANSFORMATION UND EMANZIPATION CONTRA HELDENSTATUS
Weibliche Macht hat aus meiner Sicht eine Wirkungsmacht, weniger eine Statusqualität. Weibliche Führung soll ermöglichen, befähigen, bewegen, einladen, auch zuweilen deeskalieren.
WIR LADEN WO MEN LEADER EIN ZUR VERANSTALTUNG DER CONTAS CULTURE ACADEMY: Frauen, Macht und Führung – was macht das mit uns. am 27.4.2018 in Leipzig
Einzelheiten unter https://www.contas-kg.de/culture-academy/