Eva Stock hat mit ihrem HRISNOTACRIME BLOG unser Interesse geweckt und wir haben mit unserer Vermutung richtig gelegen. Sie gehört für uns zu den YOUNG HR LEADERN ihrer Generation mit dem Pippi-Mindedness-Faktor. Was dahinter steckt, lesen Sie uns unserem Interview.
Unsere Idee: Manager können von Pippi Langstrumpf lernen. Mit der gleichen unverwechselbaren Neugierde Neues entdecken – das ist der Stoff aus dem heute Unternehmenserfolge sind: Unvoreingenommenheit und Innovationsgeist. Dazu gehört auch Offenheit gegenüber der Generationenvielfalt in einem Unternehmen. Wie erlebst Du das Menschenbild innerhalb einer Unternehmenskultur, die durch eine Vielfalt von immerhin vier Generationen geprägt ist?
Ich glaube, dass man sich bewusst machen muss, dass es nicht nur eine Einstellung gibt. Egal in welchem Zusammenhang – es gibt unterschiedliche Ansichten zum Leben, zur Arbeit. Und diese Diversität zieht sich auch durch einzelne Generationen. Der Mensch ist nun mal ein Individuum. Klar kann man bestimmte Kohorten bilden. Aber am Ende wird die Unternehmenskultur auch durch den Einzelnen bestimmt. Deshalb ist das alles nicht immer einfach.
Kollegen, die länger dabei sind als ich haben da vielleicht schon eine innere Ruhe, die ich so nicht habe. Aber ich glaube auch, dass aus dieser inneren Ruhe heraus wenig Innovation kommt. Ich bin zwar bereit, einige Regeln anzuerkennen, das ist mein Beitrag, mein Tribut an das Konzernleben sozusagen. Aber an anderen Stellen sage ich ganz klar: Das finde ich doof, das geht mir zu langsam etc. Damit gehe ich natürlich mitunter den Leuten auch mal auf die Nerven. Ich mir sogar manchmal selbst, weil ich denke, dass es sicherlich manchmal einfacher wäre, wenn ich meine Klappe mal halten würde.
Grundsätzlich finde ich es jedoch wichtig, dass man sich auch auf andere Einstellungen einlassen kann. Es ist eben ein individuelles Ding ist, wie sehr jemand am Mitwirken an einer positiven und offenen Unternehmenskultur mitwirken möchte. Bei großen Arbeitgebern gibt es immer einen Teil an Leuten, denen sowas wie Unternehmenskultur egal ist – solange sie nicht zu ihrem Nachteil agiert. Das ist glaub ich auch weniger ein Generationenthema, sondern eben eine ganz individuelle Entscheidung.
Erlebst du Führungskräfte als authentisch im Umgang mit dem Wertewandel der aktuell stattfindet? Findet dabei Selbstreflektion statt? Hierbei kommt mir erneut ein Zitat von Pippi in den Sinn, die sagte: „Ich habe mich schlecht benommen, aber das wusste ich eben nicht und deshalb muss ich das jetzt lernen“. Merkst du so einen Lernprozess bei Führungskräften, die nicht aus deiner Generation kommen aktuell auch?
Ich glaube, man hat den Führungskräften – gerade in Konzernen – immer recht viel zugemutet in Bezug auf Change, ohne ihnen die Grundlagen mitzugeben. Es ist ein Lernprozess und dieser geht nicht von heute auf morgen. Und schon gar nicht ohne Hilfe und Impulse von außen. Wenn man in so einem großen Unternehmen arbeitet, vergisst man gerne mal, dass das nicht der Standard ist, sondern dass es eine Welt „da draußen“ gibt, die sich viel dynamischer entwickelt als das ein großer Konzern kann.
Man muss der Realität ins Auge sehen: Im Konzern kann man mitunter gut in seiner eigenen Blase leben und es gibt auch immer noch Abteilungen, die das so handhaben. Aber das ist auf kurz oder lang schlicht und einfach vorbei. Der Wertewandel hat ja nicht erst begonnen, er ist schon längst da. Mit ihm die Nachwuchssorgen aller Orten. Es reicht halt nicht mehr, „nur“ die Konzernvertragsbedingungen zu bieten. Es geht plötzlich um New Work, um Beteiligung, um Bock auf Innovation, auf Vernetzung drinnen und draußen – und kurze Wege. Darauf muss man als Unternehmen geeignete Antworten finden – egal ob Konzern oder Startup. Und manchmal braucht man da halt ein bisschen Nachhilfe im Antworten suchen und finden.
Die DB steht vor großen Aufgaben. Digitalisierung ist nur eine davon. Das ist mittlerweile auch allen bewusst. Das Thema Change Management ist für die neuen Aufgaben einfach ein Muss. Ich finde, hier braucht sich die Bahn echt nicht verstecken. Die Changekompetenz ist durch gute Aufbauarbeit aus dem Exotenstatuts rausgewachsen. Noch mehr: Sie ist sogar aus dem HR-Bereich und in die Fachbereiche gewandert. Mittlerweile ist es fast schon ein selbstverständliches Element in Projekten geworden. Aber es hat eben auch einen etwas längeren Atem gebraucht. Und den braucht es auch für den Aufbau der Kompetenzen, die in Zukunft benötigt werden.
In dem Buch von Pippi ist oft davon die Rede, dass Annika und Tommy viel Angst haben, sobald Neues auf sie zukommt. Pippi ist dagegen klar: „Wenn Ängste vorhanden sind, muss ich damit umgehen können.“ Erlebst du derzeit eine ähnliche Empathie oder Offenheit im Umgang mit Risiken und Ängsten, wie man mit der neuen Generation zusammen erfolgreich in Teams arbeiten soll?
Klar ist das ein Thema. Hab ich Bock auf weltweite Kollaborationen? Habe ich Lust, mich zu vernetzen. Vielleicht will ich auch einfach nur meine Ruhe haben. Vielleicht bin ich auch als Führungskraft mit den Themen überfordert und mir geht es da genauso wie meinen Mitarbeitern.
Irgendwie soll ja auch niemand überfordert werden, aber viele Dinge haben einen aufgebauschten Angstfaktor, der gar nicht der Realität entspricht. Beispiel „Digitalisierung“ – das ist ja schon fast zum Schreckenswort mutiert. „Hast Du Dich schon digitalisiert?“, „Meine Arbeit wird doch kein Roboter machen können!“, „Also bis wir mal da sind, dauert das noch mindestens 50 Jahre!“….Jeder hat halt eine gewisse Haltung zu solchen Buzzwords. Dabei nutzen die Leute privat ganz selbstverständlich Apps und Tablets und skypen und whatsappen. Und kaufen sich Smartphones, ganz unabhängig vom Alter.
Es gibt also nur diese künstliche Barriere, die im Konzernraum plötzlich im Kopf herrscht. Und das gilt es halt einfach „aufzuweichen“ Faktisch nutzen nun mal fast alle Messanger wie Whatsapp und kaufen sich ein Smartphone – unabhängig vom Alter. Das kann sich jedes Unternehmen zu Nutze machen. Die DB hat nun z.B. eine App für die Reisekostenabrechnung eingeführt – ein ganz klarer Wunsch von den Mitarbeitern. Wenn man mal in die Vorschlagsbox geguckt hat in den letzten Jahren, war das immer Thema Nummer 1. Und nun gibt es die Technik, jedes Smartphone hat ne ordentliche Kamera und man kann damit einfach die Rechnung abfotografieren. Fertig. Das finden alle super – ob jung oder alt. Und über solche Prozess-Innovationen, schafft man eben auch die Ausgangsbasis, um Ängste zu nehmen und allen Lust auf Digitalisierung zu machen.
Ein wichtiger Punkt für jedes Team ist außerdem der Austausch untereinander. Egal ob per Call, Webko oder in Teamrunden. Wenn ich den Kollegen kenne und ihn auch erlebt habe, kann ich Verständnis entwickeln und entsprechend auf ihn oder sie eingehen. Durch Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeit darf nicht der Kontakt zum Team abbrechen. Das kostet Zeit und auch mal Geld. Aber wenn die Ergebnisse stimmen, fragt doch keiner nach den Kosten für ein nettes Teamevent.
Dass man sich als Führungskraft Gedanken darum machen muss, wie man als Team – auch übergreifend – zusammenarbeiten möchte, wurde spätestens 2012 durch die große Mitarbeiterbefragung getriggert. Dort wurde von allen Teams, allen Mitarbeiter ein Stimmungsbild abgegeben. Auch bezogen auf die eigene Führungskraft. Das Credo lautete ganz klar: „Wir arbeiten mit den Ergebnissen in den Teams.“ Wenn die Ergebnisse gut waren, hatte man sicherlich keine schlaflose Nacht, aber es gab sicherlich auch manche, die nicht so gut geschlafen hatten vor ihrem Workshop.
Warum genau?
Der Gedanke daran, mit schlechten Ergebnissen – evtl. sogar bezogen auf die eigene Person – vor das Team zu treten, hat natürlichen vielen Unbehagen bereitet. Man guckt nun mal nicht so gerne auf die Dinge, die schlecht gelaufen sind.
Vielleicht auch die Befürchtungen davor, was dann vielleicht zurück kommt vom Team. Die Ergebnisse und der Umgang in den Teamworkshops damit hat aber viel Gutes angestoßen- eine neue Art von Vertrauen und Transparenz. Eine häufige Fehleinschätzung ist, dass die Mitarbeiter geschont werden müssen – bloß nicht zu viele schlechte Nachrichten. Das ist eine Beobachtung, die ich unabhängig vom Konzern gemacht habe. Das passiert sicherlich manchmal sogar aus guten Absichten, ist aber einfach falsch.
Die Mitarbeiter bekommen es so oder so mit, wenn es irgendwo Probleme gibt. Bevor man den Flurfunk nicht mehr einfangen kann, tut Transparenz gut.
Erlebst du auch eine höhere Transparenz im Umgang mit schwierigen Situationen? Pippi geht ja so weit zu sagen, dass sogar ihre Taler, ihre Goldtaler in der Tasche oben auf dem Schrank liegen, als ungebetene Gäste kommen…
Tja, wenn die Taler nicht mehr da sind, muss man einfach sehr transparent damit umgehen. Man musste schon immer einem Vorstand oder einer Geschäftsführung „verkaufen“, wenn irgendwas nicht läuft bei einem Thema. Manchmal auch erst dann, wenn es eigentlich schon viel zu spät war und das Ruder gar nicht mehr rumgerissen werden konnte. Aber mittlerweile versucht man es eben nicht mehr zu diesem Eskalationspunkt oder point of no return kommen zu lassen, sondern schon viel früher zu sagen: „Wir haben hier ne Schieflage.“
Und nicht nur das, sondern: „Wir haben hier eine Schieflage – ich hab mir schon mal Gedanken dazu gemacht, wie wir trotzdem das Blatt nochmal wenden können.“ Das Bewusstsein dafür, dass Risiken und Fehler möglichst früh transparent zu machen sind, ist definitiv gestiegen. Es ist auch ein ganz klares Top-Down-Thema.
Eine gesunde Fehlerkultur wächst nicht von heute auf morgen. Und wenn es entsprechend vorgelebt wird in der Hierarchie, fällt es einem auch als Mitarbeiter leichter, Fehler aufzudecken und zuzugeben.
Wie gehst du persönlich mit schwierigen Situationen um?
Ich bin vielleicht manchmal zu ehrlich. Ich habe wenig Angst davor, Fehler zuzugeben. In meinem Berufsleben bin ich bisher damit gut gefahren, aber einfach ist das nicht. Es kostet einfach verdammt viel Kraft. Ich bin ein emotionaler Mensch und wenn mein Bauchgefühl zum Himmel schreit, dass was nicht stimmt, dann muss ich es sagen. Ich versuche dabei immer, andere nicht vor den Kopf zu stoßen.
Ich versuche in solchen Situationen ein Verständnis bei dem Anderen zu generieren. So nach dem Motto: „Sorry, ich mag Dich und ich verstehe Deinen Punkt, aber ich muss jetzt mal kurz sagen, dass ich das absolut anders empfinde – und danach geht es dann auch wieder.“ Nicht jeder kann mit so viel Ehrlichkeit umgehen, aber ich muss mich in dem Moment innerlich entlasten und dann ist mir das erstmal auch egal, ob der Andere damit klarkommt. Ich bin mal gespannt, ob sich das mit dem Alter noch ändern wird… es kostet halt schon viel Kraft.. Noch gehört es aber zu mir. Ich bin so, wie ich bin und habe keine „hidden agenda“. Das macht mich natürlich auch angreifbar, aber bisher war das der beste Weg für mich.