Microsoft-CEO Steve Ballmer sagte Mitte 2007: „Das iPhone wird sich nicht sonderlich verkaufen!“ Vorgänger Bill Gates mutmaßte 1993: „Das Internet ist nur ein Hype.“ Für Telekom-Chef Ron Sommer stand 1990 fest: „Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir sehen darin keine Zukunft.“ Auch immer wieder gerne in der Reihe der größten Autoritäts-Irrtümer zititert: „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ Das sagte Thomas Watson, seinerzeit Vorsitzender von IBM, im Jahr 1943. Auch Manager können irren. Die Frage ist nur: Können sie es sich in der Digitalen Welt noch leisten?
Management-Irrtümer in der Digitalisierungsindustrie
Management-Irrtümer, auch Autoritäts Irrtümer genannt, sind keine Seltenheit in der Wirtschaft. Besonders häufig sind sie in der IT-Industrie zu finden: Hier drehen sich die Räder noch einmal schneller als in anderen Bereichen und so mancher Entwicklung, der zunächst keine wirkliche Funktion zugetraut wurde, die für die Massen interessant sein könnte, entpuppt sich unerwartet als Publikumsliebling.
So verhielt es sich mit dem Computer und später mit dem Internet. Beidem wurde weder in der Industrie noch in den Haushalten eine größere Daseinsberechtigung nachgesagt. Heute ist eine Welt ohne mobiles Netz und smarte Geräte nicht mehr vorstellbar. Willkommen im Digitalzeitalter.
Digitale Welt: Irren nicht mehr erlaubt
Der einstige IBM-Chef Thomas Watson noch Glück. Die Gnade der frühen Geburt lange vor dem Digitalzeitalter, die ihm widerfahren war, hatte zur Folge, dass seine Fehlinterpretation in Sachen Computer keine größere Auswirkung auf sein Geschäftsmodell hatte.
Man entwickelte einfach weiter – eben in dem Glauben an einen kleinen Markt statt an einen großen. Einen Unterschied machte das nicht. Damals mahlten die Mühlen noch erheblich langsamer. Bis sich neue Produkte durchsetzten, vergingen Jahre, eher Jahrzehnte. Heute können sich Manager solch eklatante Irrtümer und Fehleinschätzungen nicht mehr erlauben. Irren ist zwar menschlich, heutzutage aber auch teuer.
Die Beschleunigung in der digitalen Welt
Der Grund: Die digitale Transformation der gesamten Wirtschaft sorgt aktuell für eine dramatische Beschleunigung der Veränderungsgeschwindigkeit in allen Bereichen – und wirft teilweise gar die Geschäftsmodelle ganzer Branchen über den Haufen.
Nehmen wir zum Beispiel die Musikindustrie: Kaum einer kauft heute noch CD’s oder lädt Alben via iTunes herunter. Streaming Dienste beherrschen den Markt, über die die ganze Welt der Musik gegen einen monatlichen Minimalbeitrag abrufbar ist. Schnell und einfach aus besagtem Internet. Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht?
Das bemerkenswerte dabei ist, wie rasant sich diese Entwicklung vollzog: Kaum hatte die CD die traditionelle Schallplatte abgelöst, standen auch schon Alben zum Download bereit und nochmal weniger später gingen die ersten Streamingdienste an den Start. Nun, da die Musik ohnehin digitalisiert im Netz zur Verfügung stand, war es bis dahin nur noch ein kleiner Schritt. Das wirbelte von jetzt auf gleich die ganze Musikindustrie durcheinander, ließ CD-Umsätze und damit auch die Einnahmen der Künstler in den Keller rutschen.
Digitalisierung: Konkurrenzdruck steigt
Das verdeutlicht, in welchem Tempo sich Innovationen heutzutage vollziehen. Was einst Jahre oder Jahrzehnte in Anspruch nahm, geschieht sich heute über Nacht. Die Folge: Management Irrtümer wie die von Ballmer oder Watson, wären heute viel fataler als noch vor wenigen Jahren. Schlimmstenfalls führten sie zum Aus des Unternehmens.
Denn: Wer heute als Wirtschaftsbetrieb Erfolg haben will, muss liefern. Und zwar immerzu neue, bisher noch nicht da gewesene Ideen. Nie war der Konkurrenzdruck so stark, nie waren Märkte stärker umkämpft. Nur durch eine nicht nachlassende Innovationsdichte können sich Unternehmen heute noch behaupten, wollen sie nicht von der Konkurrenz einverleibt werden. Und das geschieht schneller als je zuvor.
Dagegen sind auch die großen Player nicht gefeit. Im Gegenteil gehen MIT-Wissenschaftler sogar davon aus, dass bis zum Jahr 2025 rund 40 Prozent der heutigen Fortune-500-Firmen verschwunden sein werden. Der häufigste Grund dafür: Management Irrtümer. Ihnen könnte es ergehen, wie einst dem finnischen Handyhersteller NOKIA, der über lange Jahre den Handysektor anführte.
Digitale Transformation: Der schleichende Untergang von NOKIA
2007 gingen die Finnen noch davon aus, dass die Übernahme von Android durch Google keine Gefährdung des Handymarkts darstelle und sich Smartphones nicht so rasant durchsetzen würden. Irrtum! Ebenso falsch lagen sie mit ihrer Einschätzung bei der Einführung des ersten Smartphones von Apple. Ein Telefon ohne Tasten würde keine Zukunft haben, mutmaßte man im hohen Norden. Auf keinen Fall dachte man an eine solche Revolution des Smartphones, wie sie dann realiter aber geschah.
Und so konzentrierte man sich weiter auf sein Kerngeschäft, die aufkommende Konkurrenz wohl im Blick behaltend, aber nicht fürchtend. Ein grober Fehler! Was sich IBM in den 40er Jahren noch leisten konnte, kostete NOKIA in Zeiten der Digitalen Transformation den Kopf: Der Management Irrtum. 2013, gerade einmal sechs Jahre später, verkaufte NOKIA die Handy-Sparte an Microsoft. Und heute? Nokia? Entschuldigung, wer oder was war das gleich nochmal?
Dass es vielen Playern tatsächlich ähnlich ergehen könnte, dafür spricht einiges: In den USA verschwand seit dem Jahr 2000 gut die Hälfte der Fortune-500-Firmen – Hauptauslöser war auch hier vor allem die Digitalisierung und die damit verbundenen Fehlentscheidungen. Die große Frage ist nur: Wie können Manager ihre Unternehmen vor solch disruptiven Entwicklungen infolge autoritärer Irrtümer und Fehlentscheidungen schützen? Zugegeben, ein Patentrezept gibt es dafür nicht.
Digitale Transformation: Gibt es ein Mittel gegen Disruption? Jain!
Ein erster Weg wäre aber, Verantwortung auf die eigenen, zunehmend besser ausgebildeten und kompetenten Mitarbeiter auszulagern und Entscheidungen nicht mehr allein oder im kleinen Leader-Kreis zu besprechen, sondern mit allen oder zumindest mit den Experten für einen bestimmten Bereich.
Denn disruptive Entwicklungen brechen nur deshalb so unerwartet über Firmen herein, weil sie zunächst in einem Nischen-Bereich des Marktes entstehen, den das Management nicht im Blick hat, weil es zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Pfade weiter auszutreten.
Pech allerdings, wenn sich der Weg des Marktes in eine andere Richtung entwickelt, die für die Leader so nicht vorhersehbar war, weil sie Listen führen mussten, Präsentation über Präsentation hielten und in Meetings saßen – mit gesenktem Blick über das eigene Produktsegment. Dann kann man natürlich auch nicht sehen, was links und rechts mit ungebremster Geschwindigkeit auf einen zusteuert. Zugegeben, das ist überspitzt formuliert. Aber Hand aufs Herz: Ist es nicht im Kleinen wirklich so?
Nie den Blick von der digitalen Welt abwenden
Hebt man den Blickt, ist es zu spät, gegenzusteuern: Die Kollision ist Programm. Anders wäre es gekommen, hätten die Manager ihre fachkundigsten Mitarbeiter zu wichtigen strategischen Entscheidungen befragt: Denn oftmals hat die „Basis“ eines Unternehmens den Wettbewerb besser im Blick und erkennt dessen Potenzial, während dieser dem Management wegen seines zunächst kleinen Volumens oder Kundensegmentes und dem fehlenden Markenstatus uninteressant erscheint. Ein Fehler. Manager, hört auf die Stimmen eurer Mitarbeiter.
Wie meinen? Das ist nicht einfach? Doch ist es! Wozu gibt es:
- Business Lunches?
- Kaffeeküchen, die zum Schnack zwischendurch einladen?
- Teammeetings?
- Feedbackgespräche?
- Mitarbeiterbefragungen
- Barcamps?
Die Möglichkeiten sind längst da, man muss sie nur nutzen, seine Mitarbeiter auf Augenhöhe befragen, sie ernst nehmen und ernsthaft hinhören.
Digitale Welt: Wenn die Post VW und Mercedes Konkurrenz macht
Dass solche Erfolgsgeschichten, in denen die Kleinen die Großen überrollen nicht nur aufs Ausland beschränkt sind, zeigt eine Entwicklung, bei der kürzlich die Leader bei VW und Daimler Schnappatmung bekommen haben dürften.
Die Deutsche Post kaufte ein Startup und stieg in den Bereich E‑Mobilität für Transporter ein, nachdem sie von VW und Daimler mit dem Wunsch nach dem Bau eines E‑LKW auf die Zukunft vertröstet wurde. Man solle halt noch ein paar Jahrzehnte warten. Wollte man aber nicht. „Nein, die Zukunft beginnt jetzt“, dachte sich die Post da und stieg selbst ins Business ein. (Wir berichteten)
Noch sind die zwei Elektrobikes, das mit Batteriestrom betriebene Dreirad und die zwei großen Lieferwagen im konzerntypischen Quietsche-Entchen-Gelb, die aus dem Projekt hervorgingen, keine ernstzunehmende Konkurrenz für Daimler und Co.
Aber wer weiß, was noch passiert? Die Post kündigte bereits an, in Massenproduktion zu gehen. Und dann werden sich die Autobosse vielleicht sagen: Hätten wir doch auf die internen Stimmen gehört, auf das Anliegen der Post zu reagieren. Doch dann ist es zu spät.