Vor über 70 Jahren erblickte Pippi Langstrumpf „das Licht der Welt“. Für Generationen von Kindern taugte Astrid Lindgrens Kinderbuch-Heldin zum Vorbild. Heute sind ihre „Weisheiten“ aktueller denn je. Nicht nur für den Nachwuchs. Für Innovatoren. Manager. Leader. CEO’s ebenso. Was sie von dem frechen Mädchen aus der Villa Kunterbunt lernen können…
Pippi goes Management
Ein kleines Mädchen mit abstehenden Zöpfen: Das ist Pippi Langstrumpf. Anfang der 40er Jahre dachte sich Kinderbuchautorin Astrid Lindgren die Titelheldin der turbulenten Geschichte rund um die Villa Kunterbunt, das Geschwisterpaar Tommy und Annika, den kleinen Affen Herr Nielsson und den Fleckenschimmel Kleiner Onkel aus. In den Sechzigerjahren wurde der Roman verfilmt. Buch und Film – beides Welterfolge.
Nicht ohne Grund. Denn die Geschichten leben von einer zeitlosen Lebensklugheit, die nicht nur für Kinder interessant ist. Pippi Langstrumpf ist der personifizierte Bruch mit den Konventionen: Sie zieht sich anders an, sieht anders aus, denkt anders, handelt anders, ohne Angst vor Rückschlägen. Sie sieht die Dinge nicht nur schwarz oder weiß, sondern auch die Töne dazwischen. Dabei entdeckt sie immer wieder Neues.
Allesamt Eigenschaften, die moderne Leader heute ebenfalls auf sich vereinen sollten. Denn in der Wirtschaft geht es um nichts anderes als das Entdecken von Neuem. Wer Erfolg haben will, muss liefern: Und zwar immerzu neue, bisher noch nicht da gewesene Ideen. Nie war der Konkurrenzdruck so stark, nie waren Märkte stärker umkämpft. Nur durch eine nicht nachlassende Innovationsdichte können sich Unternehmen heute noch behaupten, wollen sie nicht von der Konkurrenz einverleibt werden. Und das geschieht schneller als je zuvor.
Pippi Langstrumpf: Lehrmeisterin für moderne Leader
Was dem allerdings im Wege steht: Viele Manager können nicht von den starren und langwierigen und verkrusteten Hierarchien und Ritualen lassen, die einst vom Establishment geprägt wurden. Sie sind wie Pippis Freunde Tommy und Annika: Regelkonform, immer artig, stets adrett und angepasst, dem Motto folgend „das macht man nicht, das haben wir noch nie so gemacht“. Doch das ist nicht der gedankliche Stoff, aus dem Innovationen sind.
Besser wär’s, sie nähmen sich ein Beispiel an Pippi, die dagegen hält: “Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.” Und sie behält Recht. Immer. Alles, was sie anpackt, wird zum Erfolg. Nur ist das Ergebnis vorher eben nie absehbar. Annika und Tommy macht diese Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit Angst.
Leadern auch. Die alten Strukturen dagegen versprechen dagegen Sicherheit:
- klare Vorgaben
- klare Entscheidungsrichtlinien
- Informationsfluss von oben nach unten
- Angepasstheit bis unter die Haarspitzen
Bloß kein Abweichen von Plänen. Wer weiß, was dann geschieht? Würden sie Pippi fragen, sie hätte die passende Antwort: „Vielleicht etwas Gutes.“. Aber keiner fragt sie.
Manager: Hört aufs innere Kind
Schon deshalb, weil viele Manager zu beschäftigt mit dem Abarbeiten von Listen, Erstellen von Präsentationen und dem Präsentieren der Präsentationen sind. Hinzu kommt ausgeprägtes Meeting-Hopping. Da bleibt keine Zeit, sich mit den Ideen eines kleinen Mädchens auseinander zu setzen, das stellvertretend für das eigene innere Kind steht. Kaum einer entfesselt es, lässt ihm freien Lauf.
Das ist es aber letztlich, was den Innovator vom reinen Lenker unterscheidet. „Think different“ haben sich die großen Player unserer Zeit auf die Fahnen geschrieben und nichts anderes getan, als dem eigenen inneren Kind eine Chance zu geben. Sie leiten ihre Leute an, es ihnen gleich zu tun. Jeder soll seine eigene Pippi wieder entdecken und sie aus ihrem Dornröschenschlaf wecken.
In Managersprech klingt das dann so:
- Entledige dich alter Zöpfe und Denkmuster
- Denke bewusst über das Machbare hinaus
- Denke vieles an, setze davon um, was umsetzbar ist
- Versuche deinen Visionen bei der Umsetzung in die Realität so aber nahe wie möglich zu kommen
Heraus aus einem solchen Kreativprozess, der in Fachkreisen unter Design Thinking firmiert, kommt im Idealfall ein innovatives Produkt, das möglicherweise nicht in der gleichen Qualität entstanden wäre, hätte man die gedanklichen Höhenflüge nicht zugelassen.
Pippi ist Sachensucherin, Manager sollten es auch werden
Leader, Angestellte, ganze Organisationen sollten daher zu Sachensuchern werden, wie Pippi es ausdrücken würde. Und sie kennt sich damit aus. Pippi ist selbst „Sachensucherin“. Als ihr Freund Tommy wissen will, was das sein soll, antwortet sie:
„Jemand, der Sachen findet. Was soll es anderes sein? Die ganze Welt ist voll von Sachen, und es ist wirklich nötig, dass jemand sie findet. Und das gerade, das tun die Sachensucher.“
Auch Innovationen sind längst da, sie müssen nur entdeckt werden: Denn meist entstehen Innovationen nicht aus etwas noch nicht da gewesenen. Das ist eher selten. Meist entstehen sie aus der Perfektionierung des bereits Bestehenden. Und genau dazu müssen Leader ihre Mitarbeiter befähigen.
Pippi liefert den Stoff für Innovationen
Zum Beispiel, indem sie ihren Ideen ernsthaft Gehör schenken und ein Umfeld schaffen, dass Business Experimente ermöglicht. Zum einen müssen die dafür nötigen technischen Gerätschaften vorhanden sein, zum anderen geht es aber auch um nichts geringeres als den Faktor Zeit.
Ein Mitarbeiter, der nur mit dem Abarbeiten seiner Tasks beschäftigt ist, wird kaum innovativ sein. Dafür muss ihm das Unternehmen erst mal Freiräume geben: Zeit also, die nicht verplant ist. Das fällt vielen schwer. Doch „faul sein ist wunderschön!“, hat Pippi bereits vor Jahrzehnten erkannt. Denn meist entstehen in Momenten ohne Plan neue Gedanken oder Begegnungen.
Wer also normalerweise von einem Termin zum nächsten hetzt, sollte sich bewusst Momente des Nichtstuns erlauben. Wer weiß schon, was daraus entsteht? Das sah auch Astrid Lindgren auch so:
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.“
Und wenn Unternehmenslenker das nicht beherzigen? Nun, es spricht auch für Arbeitnehmer nichts dagegen, eine entsprechende Anregung zu platzieren. „Warte nicht darauf, dass die Menschen Dich anlächeln. Zeige ihnen, wie es geht“, riet Pippi Tommy und Annika einmal.
Pippi sagt: Ergreift Initiative
Recht hat sie! Davon können sich Arbeitnehmer eine Scheibe abschneiden: Nur wer selbst die Initiative ergreift, kann sich selbst und sein Unternehmen voranbringen. Leider bleiben viele jedoch beim Beklagen des Status Quo stehen. Doch damit werden sie nichts bewegen oder gar ändern können.
Sich Freiräume zu schaffen, offen für Neues zu sein, beinhaltet im übertragenen Sinne aber auch, offen für andere Kulturen, Ethnien, Geschlechter und Gesinnungen zu sein. Das kann aber nicht verordnet, sondern muss gelebt werden.
Oftmals bringen bunt gemischte Teams viel kreativere Ansätze hervor als Kollegen aus ein und demselben Kulturkreis. Studien belegen das. Unterschiedliche Einflüsse können also auch ein Treiber für Innovationen sein.
Pippi lebt Vielfalt
Auch das lebte Pippi vor: Rote Haare, außergewöhnlicher Name, komische Klamotten. Pippi zeigt allen, dass anders sein nichts Negatives ist, solange man selbstbewusst damit umgeht. So schläft sie mit den Füßen auf dem Kopfkissen und dem Kopf unter der Decke und erklärt: „So schlafen sie in Guatemala. Das ist die einzig richtige Art zu schlafen. Und so kann ich auch mit den Zehen wackeln, wenn ich schlafe.“
Was Innovatoren daraus lernen können? Ganz einfach: Freiheit im Denken bedeutet, für fremde Einflüsse offen zu sein, vielleicht verbessert sich ja einiges dadurch. Und: Teams können noch so unterschiedlich sein und dennoch harmonieren, wenn sie füreinander offen sind.
Fazit: Wer wie Pippi spontane Ideen, das kreative Chaos und die Macht der Fantasie in seinem Unternehmen fördert, kann also bewirken, dass scheinbar Unmögliches in die Tat umgesetzt wird. Dazu muss er aber selbst sein inneres Kind wieder zum Vorschein bringen: Denn „alles, was an Großem in der Welt geschah, vollzog sich zuerst in der Fantasie eines Menschen“, merkte Astrid Lindgren einst an. Und davon haben Kinder reichlich. Weise, sehr weise, geradezu innovativ.