In unserem letzten Blogbeitrag haben wir uns mit dem Thema Frauenquote befasst und aufgezeigt, worin die Problematik liegt und welche Stimmen es zu diesem Thema gibt. Auch wenn dem Kabinett seit Beginn des Koalitionsvertrags ein Gesetzesentwurf zur Abstimmung über eine gesetzliche Frauenquote vorliegt, ist diesbezüglich noch nicht allzu viel passiert. Bei unserer Recherche sind wir auf eine interessante Ost-West-Studie gestoßen, die uns in Punkto Gleichstellung und Frauenquote zum Nachdenken angeregt hat und die wir Ihnen unmöglich vorenthalten wollen. So viel vorab: Die West-Frauen hatten die Frauenbewegung, die Ost-Frauen hatten Männerberufe und Ganztagskrippen. Beide hatten die Doppelbelastung.
Gleichstellungsvorsprung ostdeutscher Frauen
Eine Erhebung, die die Rundfunksender RBB und MDR in Zusammenarbeit mit der Uni Leipzig durchgeführt habe, ergab vor kurzem, dass es ostdeutsche Frauen häufiger in die Führungsetage schaffen, als ostdeutsche Männer oder ihre Kolleginnen aus dem Westen. 30 Jahre nach der Wende sind rund die Hälfte der Ostdeutschen in Führungspositionen weiblich. Erstaunlicher Weiße wächst der Frauenanteil, je höher die Position ist. Demnach sind Frauen aus Ostdeutschland erfolgreicher, als Frauen im Westen und die Gleichstellung von Mann und Frau deutlich weiterentwickelt, als in Westdeutschland.
Unter den Ostdeutschen in der Bundesregierung sind ganze 70 Prozent weiblich. Bei den ostdeutschen Vorstandsmitgliedern in den Dax-Konzernen liegt der Frauenanteil sogar bei 75 Prozent, während unter den Westdeutschen nur zehn Prozent weiblich sind. Hier muss man allerdings anmerken, dass Ostdeutsche in Führungspositionen deutschlandweit unterrepräsentiert sind – doch unter denen, die es nach oben schaffen, gibt es auffällig viele Frauen.
Frauen in Führungspositionen ohne Quote
Der Osten von Deutschland braucht scheinbar keine Frauenquote, um Frauen in Führungspositionen zu bringen. Eines ist klar: Der Westen sollte vom Osten lernen, allerdings geht das höchstwahrscheinlich nicht ohne weiteres und über Nacht. Denn hinter dieser Tatsache stecken Jahrzehnte einer kulturellen Entwicklung.
Ostdeutsche Frauen nutzen den „Seiteneingang“
Westdeutsche den Haupteingang der Quote
Die West-Frauen hatten die Frauenbewegung, die Ost-Frauen hatten Männerberufe und Ganztagskrippen.
Von der Ethik der Macht zur Teilhabe
Next Level Diversity Management
In Ostdeutschland agieren deutlich mehr Frauen als Entscheiderinnen, als in Westdeutschland. Und das nicht erst seit kurzem. In den letzten 30 Jahren haben Frauen die Transformation in Ostdeutschland wie einst in der DDR mit einer höheren Resilienz zum Erfolg geführt und das damalige System wirtschaftlich stabilisiert.
Ostfrauen scheinen selbstbewusster, unabhängiger und schließlich erfolgreicher zu sein. Sie machen nicht nur in der Politik Karriere. Es liegt nahe, dass Frauen im Osten Deutschlands weit aus emanzipierter sind und damit auch die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Mann und Frau deutlich fortgeschrittener ist, als im Westen des Landes.
Doch woran liegt es, dass sich ostdeutsche Frauen hinsichtlich Emanzipation so sehr von westdeutschen Frauen unterscheiden? Die plausibelste Antwort darauf ist: Weil sie es nicht anders kennen!
Sie meistern Beruf und Familie, weil sie es nicht anders kennen. Sie pfeifen auf Emanzipation, weil sie schon emanzipiert sind. Dies rührt wohl in erster Linie daher, dass die Stellung der Frau in der DDR eine andere war, als die der Frau zur selben Zeit in der BRD. Die deutsche Teilung manifestierte sich in vielen Bereichen. Während in der Bonner Republik Frauen für die Gleichheit und Gleichberechtigung gekämpft haben, arbeiteten Frauen in der DDR in Vollzeit und müssen niemanden dafür um Erlaubnis bitten. Anders als im Westen Deutschlands, wo es üblich war, dass die Frauen als Mütter zuhause bleiben und sich um den Haushalt und die Kinder kümmern, zumindest bis diese ein gewisses Alter erreicht haben. Im Osten hingegen konnten Mütter ihre Kinder schon sehr früh in Kindertagesstätten bringen, um ganz normal, arbeiten zu gehen.
Ost-Frauen hatten Männerberufe und Ganztagskrippen
Die Frauen der DDR haben sich diese Emanzipation nicht erkämpft, sie war Staatsdoktrin. Das prägt Millionen Frauen ganz entscheidend, nicht nur in ihrer Rolle als Arbeiterinnen, sondern auch in ihrer eigenen Wahrnehmung als Frau. Sie sind Kranfahrerinnen, Ärztinnen, Physikerinnen oder Kindergärtnerinnen.
Die West-Frauen hatten die Frauenbewegung, die Ost-Frauen hatten Männerberufe und Ganztagskrippen. Beide hatten die Doppelbelastung. In der DDR gab es andere Wege und andere Formen der Frauenemanzipation – eine von oben verordnete und eine im Alltag gelebte. Zu DDR Zeiten gingen die Ostfrauen scheinbar gleichberechtigt arbeiten, dennoch ziehen sie nebenher noch die Kinder groß und managen den Haushalt. Die Rollenverteilung von damals, kann keineswegs als vorbildlich gelten, denn obwohl die DDR-Mütter im Gegenzug mit ganztägiger kostenloser Kinderbetreuung, mit gleichem Lohn oder einem monatlichen Haushaltstag unterstützt werden, kommen 1969 ostdeutsche Frauen auf 93 Stunden Gesamtarbeitszeit pro Woche, ostdeutsche Männer nur auf 59 Stunden pro Woche. Doch wie haben sich diese damals auferlegten Regeln und Rollenverteilungen auf heute ausgewirkt?
Ostdeutsche Frauen häufiger in Führungspositionen
Durch die in der DDR gelebten Rollenverteilungen, wurden wichtige Grundlagen für die ökonomische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Frauen im Osten geschaffen – ein Entwicklungsvorsprung gegenüber der damaligen BRD, der auch heute noch sichtbar ist.
Laut der Studie der Universität Leipzig zusammen mit dem MDR und dem RBB zufolge, bekleiden Frauen aus dem Osten Deutschlands prozentual gesehen häufiger Führungspositionen als ihre westdeutschen Kolleginnen. Der Frauenanteil unter aus Ostdeutschland stammenden Führungskräften ist demzufolge in nahezu allen untersuchten Bereichen höher als bei westdeutschen Frauen. Allerdings sind Menschen aus Ostdeutschland in Führungspositionen allgemein betrachtet aber nach wie vor stark unterrepräsentiert. Das zeigt sich besonders wenn man die Bundesregierung unseres Landes betrachtet. Seit der Wiedervereinigung stammen neben Angela Merkel lediglich 16 weitere Regierungsmitglieder aus dem Osten. Das entspricht nur zehn Prozent. Allerdings befinden sich unter den Ost-Politiker*innen in der Regierung zwölf Frauen, was rund 71 Prozent entspricht. Im Gegensatz dazu waren nur 27 Prozent der westdeutschen B
undesminister*innen weiblich.In der freien Wirtschaft sieht es ähnlich aus. So sind 75 Prozent der aus dem Osten stammenden DAX-Vorständ*innen weiblich, bei den Westdeutschen sind es gerade mal zehn Prozent. Beachtet werden muss hierbei aber, dass sich unter den 193 DAX-Vorständ*innen nur vier Ostdeutsche befinden.
Als ostdeutsch galten in der Studie Menschen, die in der DDR, beziehungsweise nach 1990 in den ostdeutschen Bundesländern geboren wurden. Hinzu kommen Menschen, die im Westen zur Welt gekommen sind, aber den Großteil ihres Lebens im Osten verbracht haben.
Auch unter den Bundes- und Landesrichter*innen sind im Osten Deutschlands deutlich mehr Frauen zu finden. Der Frauenanteil bei den Richter*innen aus Ostdeutschland liegt bei 43 Prozent auf Bundes- und 48 Prozent auf Landesebene. So herrscht hier nahezu eine ausgeglichene Verteilung zwischen den Geschlechtern. Blickt man auf die westdeutschen Richter*innen, liegen die Werte mit 34 beziehungsweise 38 Prozent darunter.